Liebe Gemeinde in der österlichen Zeit!
Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat Kirche und christlichen Glauben seinerzeit kritisch gesehen. Aber was die Übersetzung der zentralen christlichen Botschaft der Auferstehung in unser Leben bedeutet, das hat er genial in seinem Gedicht „Osterspaziergang“ aus dem ersten Teil des Faust beschrieben:
Jeder sonnt sich heut so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden.
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus der Strassen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Über die Bedeutung der Auferstehungsbotschaft sind in der christlichen Tradition viele Worte gesagt und geschrieben wurden. Manches geht dabei in die Richtung, in der Goethe gedacht hat. Zum Beispiel, wenn Martin Luther schreibt: „Es soll nicht bei den Worten der Auferstehung bleiben und ist Christo darum nicht zu tun, dass man davon hören oder reden kann, sondern dass es soll in unserem Leben empfunden werden.“
Was da tatsächlich am Ostermorgen geschieht, entzieht sich einer genauen Beschreibung. Die Berichte der Bibel erzählen die Auferstehung fast symbolisch: Die Hinweise sind vor allem der weggerollte Stein und das leere Grab. In den ersten Begegnungen wird der auferstandenen Jesus von seinen Jüngerinnen (die sich zuerst zum Grab trauen!) und Jüngern nicht erkannt. Erst nach und nach setzt sich bei ihnen die Erkenntnis durch, dass Jesus nicht tot ist.
Zunächst erkennen sie ihn nicht oder können es wahrscheinlich einfach nicht glauben. Außerdem sind sie in ihrer Trauer und Verzweiflung gefangen. Wie die beiden Emmausjünger, die nach dem Lukasevangelium dem sie begleitenden Auferstandenen von ihrer Trauer und Mutlosigkeit erzählen: Hast du es denn nicht gehört? Alles ist vorbei. Unsere Hoffnung mußte sterben. Aber zumindest sind sie zu zwei unterwegs und treffen auf einen Fremden, zu dem sie offenbar sofort Vertrauen fassen können und der ihnen geduldig zuhört. In dieser Begegnung ändert sich schon etwas. Das Licht von Ostern scheint vorsichtig hervor. Schließlich erleben sie eine intensive Gemeinschaft mit diesem Fremden, in dem sie den auferstandenen Jesus erkennen. Ihre Hoffnung lebt wieder auf und sie kehren um nach Jerusalem, um das Erlebte dort weiterzugeben.
Genauso belebt eilt Maria nach ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen, den sie zunächst für den Gärtner hält, zu den verängstigten Jüngern zurück. Sie schafft es dadurch offenbar, diese wirklich aus ihrer Angststarre zu befreien. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum leeren Grab. Auch dem am Ende immer noch zweifelnden Jünger Thomas reichen alle Worte und Berichte nicht. Er muss selber direkt spüren und berühren, was es mit der Auferstehung auf sich hat.
Reden und Hören können das Wunder der Auferstehung nicht erklären, weil es sich sowieso dem rationalen Verstehen entzieht. Reden und Hören reichen auch nicht aus, um die Auferstehung in unserer Welt und in unserem Leben deutlich zu machen. Auferstehung braucht unser Gefühl und will mit dem Herzen erkannt sein. Nur in Worten weitergegeben, kann sie erschrecken und verstören oder sie führt zu Ungläubigkeit und Ignoranz: Das gibt’s doch gar nicht, das in unserer Welt etwas stärker ist, als der Tod.
Und doch gibt es die Auferstehung: Damals bei Jesus und seitdem bis heute immer wieder mitten unter uns.
Goethe hat das vor 200 Jahren genau erfaßt und beschrieben. Bei ihm geschieht Auferstehung nicht in Worten, sondern im Erleben: „Denn sie sind selber auferstanden“
Die biblischen Erzählungen geben uns Hinweise, wie das unter uns geschehen kann: Maria und die anderen ersten Zeugen der Auferstehung machen sich auf den Weg zu den anderen, die sich immer noch ängstlich versteckt halten. Damit setzt sich ein Impuls fort, der mit der Auferstehung beginnt. Am Ende können die Jüngerinnen und Jünger ihre Angst überwinden. Sie gehen wieder unter die Leute und leben das weiter, was Jesus ihnen aufgezeigt und vorgelebt hat: Gott liebt diese Welt und seine Menschenkinder. Gott steht auf der Seite des Lebens gegen alle zerstörerischen Mächte des Todes.
Auferstehung ist die göttliche Kraft, die in das Leben von uns Menschen hineinwirkt, die uns bewegt und in Bewegung bringt, eine Kraft, die höher ist als alle Vernunft und stärker als der Tod. Und das ist etwas, das wir mit dem Herzen empfinden müssen: in der Gemeinschaft, in gegenseitiger Anteilnahme und gegenseitigem Mutmachen oder einfach auch bei einem Frühlingsspaziergang in der wiedererwachenden göttlichen Schöpfung. Amen.
Dear congregation in the Eastertide!
The poet Johann Wolfgang von Goethe took a critical view of the church and the Christian faith in his day. But he brilliantly described what the translation of the central Christian message of resurrection into our lives means in his poem “Easter Walk” from the first part of Faust:
Everyone suns himself gladly today.
The Risen Lord they celebrate,
For they themselves have now arisen
From lowly houses’ mustiness,
From handicraft’s and factory’s prison,
From the roof and gables that oppress,
From the bystreets’ crushing narrowness,
From the churches’ venerable night,
They are all brought out into light.
Many words have been said and written in the Christian tradition about the meaning of the message of resurrection. Some of them go in the same direction as Goethe’s thoughts. For example, when Martin Luther wrote: “It should not remain with the words of the resurrection, nor is Christ therefore to be done that one can hear or speak of it, but that it should be felt in our lives.”
What actually happens on Easter morning defies precise description. The accounts in the Bible relate the resurrection almost symbolically: the clues are primarily the rolled away stone and the empty tomb. In the first encounters, the resurrected Jesus is not recognised by the women (who dare to go to the tomb first!) and his disciples. Only gradually do they come to realise that Jesus is not dead.
At first, they don’t recognise him or probably just can’t believe it. They are also trapped in their grief and despair. Like the two disciples of Emmaus who, according to the Gospel of Luke, tell the Risen Christ accompanying them about their grief and despondency: Have you not heard? Everything is over. Our hope had to die. But at least there are two of them travelling and they meet a stranger in whom they can obviously trust immediately and who listens to them patiently. Something changes in this encounter. The light of Easter cautiously shines through. Finally, they experience an intense communion with this stranger, in whom they recognise the risen Jesus. Their hope is revived and they return to Jerusalem to pass on what they have experienced there.
After her encounter with the risen Christ, whom she initially believes to be the gardener, Mary rushes back to the frightened disciples just as revitalised. In doing so, she apparently manages to really free them from their paralysis of fear. Together they make their way to the empty tomb. Even for the disciple Thomas, who is still doubting at the end, all the words and reports are not enough. He has to feel and touch directly what the resurrection is all about.
Talking and hearing cannot explain the miracle of the resurrection, because it defies rational understanding anyway. Talking and listening are also not enough to make the resurrection clear in our world and in our lives. Resurrection needs our feelings and wants to be recognised with the heart. If it is only communicated in words, it can frighten and disturb or lead to disbelief and ignorance: there is no such thing as something stronger than death in our world.
And yet there is a resurrection: back then with Jesus and since then, again and again among us. Goethe captured and described this precisely 200 years ago. For him, resurrection does not happen in words, but in experience: “For they themselves have risen”
The biblical stories give us clues as to how this can happen among us: Mary and the other first witnesses of the resurrection make their way to the others who are still fearfully hiding. This continues an impulse that begins with the resurrection. In the end, the disciples are able to overcome their fear. They go out among the people again and continue to live what Jesus has shown and exemplified to them: God loves this world and his human children. God is on the side of life against all the destructive powers of death.
Resurrection is the divine power that works into the lives of us humans, that moves us and sets us in motion, a power that is higher than all reason and stronger than death. And this is something that we must feel with our hearts: in community, in mutual sympathy and mutual encouragement or simply on a spring walk in the reawakening divine creation. Amen.